Selbstorganisiertes Lernen im Mosaikschulen-Netzwerk5/5(1)

Gita Topiwala, Sekundarlehrerin, Schulhaus Petermoos in Buchs ZH

Wie kann Lernen sichtbar gemacht werden, wenn Schülerinnen und Schüler selbstorganisiert arbeiten? Die Sekundarschulen des Mosaik-Verbands der Deutschschweiz haben ihre eigenen Wege gefunden.

Um den Schlagworten Motivation, Offenheit, Selbstwirksamkeit, Altersdurchmischung, Individualität und Kooperation, kurz Mosaik, im Schulalltag gerecht zu werden, arbeiten die Schülerinnen und Schüler in den Mosaik-Schulhäusern in unterschiedlichen Unterrichtssettings, meist in altersdurchmischten oder leistungsheterogenen Lerngruppen. Der Unterricht erfolgt zu rund einem Drittel selbstorganisiert, vor allem in Lernateliers. Die restliche Unterrichtszeit ist gekennzeichnet durch arrangierte kooperative Formen und instruktive Sequenzen.

Digitalisierung hilft der Individualisierung

Abbildung 1: Paolo Castelli.

 In einem solchen System den Überblick über den Lernstand jedes Schülers und jeder Schülerin zu haben, um dementsprechend angemessen zu fördern, ist eine grosse Herausforderung und erfordert  eine komplexe Lehr-/Lernorganisation. «Das führt bei den meisten Schulen schnell zur Überforderung», sagt Paolo Castelli, Präsident des Mosaik-Verbands (Abbildung 1). Um diese Herausforderungen zu meistern, schlossen sich 2009 fünf Schulen in der Deutschschweiz zum Verband zusammen. «Wenn man derart individualisieren will, braucht man ein digitales System», meint Castelli. Das erste Ziel des Verbandes war deshalb die Erarbeitung einer Software, um individuelle Lernaufgaben zu kreieren und den Lernfortschritt der Schülerinnen und Schüler zu begleiten. «Zu Beginn haben die Lehrpersonen neben den Lernaufgaben auch die dazu passenden Materialien und Unterrichtseinheiten in das System hochgeladen», erklärt Castelli, «aber wir merkten, dass ein solcher Austausch ohne persönlichen Kontakt nicht funktioniert.»

Heute haben die inzwischen 25 Sekundarschulen des Verbands mit www.escola.com ein webbasiertes Programm, das ihnen einen Überblick über den individuellen Lernstand aller Schülerinnen und Schüler ermöglicht. Bei Kindern mit Förderbedarf koordinieren die Klassenlehrperson und die Heilpädagogin oder der Heilpädagoge über escola die Förderplanung. Auch alle administrativen Belange wie Zeugnisse, Stundenpläne, Zeiterfassung für Lehrpersonen oder sogar Raumreservierungen deckt das System ab.

Abbildung 2: Philipp Wampfler, Autor und Fachdidaktiker

Für Austauschmöglichkeiten unter den Lehrpersonen sorgt der Verband mit regelmässig stattfindenden Fachtagungen und den alle zwei Jahre stattfindenden Mosaikkongressen. An diesen nehmen jeweils rund 350 Lehrpersonen aus allen Schulhäusern des Verbands teil, um sich in aktuellen Themen, zuletzt etwa im März 2019 am dritten Mosaik-Kongress zum Thema «digital genial?!», weiterzubilden und dabei Erfahrungen auszutauschen (Abbildung 2).

Abbildung 3: Evelyne Meister, Klassenlehrerin am Schulhaus Petermoos in Buchs ZH, im Coachinggespräch mit einer Schülerin.

Coachinggespräche als weiteres Kernelement

In hoch individualisierten Lernumgebungen ist neben dem elektronischen Sichtbarmachen des Lernfortschritts eine persönliche Lernunterstützung von zentraler Bedeutung. «Alle Schulen in unserem Verband führen deshalb regelmässige Coachinggespräche durch», sagt Castelli. Die Schülerinnen und Schüler formulieren mit Unterstützung ihrer Lehrperson individuelle Ziele, an denen sie über drei bis vier Wochen arbeiten. Je nach Schule halten sie diese in einem vorbereiteten Protokollblatt, im Lernbuch oder in ihrer Agenda fest. Vor jedem Coachinggespräch reflektieren die Lernenden ihre Arbeit. Die Lehrperson bietet im Gespräch neben Wertschätzung konkrete Strategien oder Materialien und hilft bei der Lösungsfindung im Falle von Problemen. «Befragungen von ehemaligen Schülerinnen und Schülern haben ergeben, dass die Coachinggespräche für sie unglaublich wichtig waren. Dank ihnen haben sie ihre Schulzeit positiv erlebt und sich selbstkompetent gefühlt», so Castelli, «sie sind für unsere Schulen deshalb ein Kernelement.»

Der Erfolg gibt dem Modell des Verbandes Recht. Obwohl das Konzept des individuellen, alters- und niveaudurchmischten Lernens nur in wenigen Schweizer Schulen umgesetzt wird, gewinnen Verbandsmitglieder immer wieder prestigeträchtige Preise, zuletzt etwa das Schulhaus Petermoos, das 2015 den Schweizer Schulpreis gewann.

Mehr Informationen zum Verband der Mosaik-Sekundarschulen finden Sie unter www.mosaik-sekundarschulen.ch.

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