Konzentrationssteigerung mit Schneeflocken5/5(2)

Bericht zum Projekt von Manuela Ruckstuhl, gemeinsam verfasst mit Manuela Schuler, Mitarbeitende der PH FHNW im Projekt Lehren und Lernen sichtbar machen (LLSM)

Das Konzentrationsvermögen der Kindergartenkinder soll gestärkt und sichtbar gemacht werden. Ein über fünf Wochen eingesetztes kindgerechtes Erhebungsinstrument regt die Kinder an, über ihr Lernen nachzudenken. Sie äussern sich dazu, wie sie sich besser konzentrieren können. Die Lehrperson erhält wertvolle Hinweise, wie sie ihren Unterricht besser auf Lernbedarfe und Bedürfnisse der Kinder ausrichten kann.

Ausgangslage

In der Kindergartengruppe bleiben einige Kinder während des Werkstattunterrichts passiv. Anstatt sich auf ihren Werkstattposten zu konzentrieren, lenken sie andere ab oder stören sie. Diese Knacknuss möchte die Kindergartenlehrperson, Manuela Ruckstuhl, mit dem Luuise-Prinzip[1] angehen. Dazu formuliert sie folgendes s.m.a.r.t.-Ziel[2]: Während einer zwanzigminütigen Arbeitsphase arbeiten mindestens 75% der anwesenden Kindergartenkinder an einer selbst gewählten Werkstattübung und haben ihren Blick immer wieder auf das eigene Arbeitsgeschehen gerichtet.

Unterrichtsintervention

Zuerst stellt die Lehrperson den Kindern im Stuhlkreis das Projekt vor. Sie berichtet, dass Sie im Werkstattunterricht oft Kinder sieht, die nicht an ihren Übungen arbeiten und durch andere Kinder abgelenkt werden. Da möglichst alle Kinder bei ihren Aufgaben gut weiterkommen sollen, hat sie sich etwas ausgedacht: Heute und an den nächsten vier Donnerstagmorgen gibt es immer für zwanzig Minuten (Zeit wird auf einer grossen Uhr gezeigt) eine Übung. Diese wird je nach Werkstattposten von jedem Kind einzeln, zu zweit oder in der Gruppe ruhig bearbeitet. Dann erklärt sie die Datenerhebung.

Erhebungsinstrument, Datenerhebung und Auswertung

Jedes Kind bekommt zu Beginn eine Filzwolke. Darauf befestigt es vier Schneeflocken mit Klettverschluss. Am Vortag wird durch die Klasse jeweils das Schneeflockenkind bestimmt und in seine Aufgabe eingeführt. Es misst mit einer Sanduhr die Zeit. Nach fünf Minuten beobachtet es, welche Kinder ihren Blick auf ihre Tätigkeit gerichtet haben. Es zieht bei diesen Kindern eine Schneeflocke ein. Bei jedem Rundgang wird pro Kind höchstens eine eingesammelt. Die Lehrperson unterstützt das Schneeflockenkind bei seiner Beobachtungsaufgabe und dabei, dass es sachlich vorgeht. Das Einsammeln wird in fünfminütigen Abständen dreimal wiederholt. Das Schneeflockenkind klebt die gesammelten Schneeflocken auf das Erfassungsraster. Die beklebten Felder visualisieren, wie viele Kinder konzentriert gearbeitet haben (Abbildung 1). Der Vergleich der vier Erfassungsstreifen pro Datenerhebung zeigt, wie sich das Konzentrationsverhalten über die Arbeitszeit verändert.


[1] Mehr zum Luuise-Prinzip im Erklärfilm zu „Luuise“ oder in der Luuise-Publikationsliste

[2] s.m.a.r.t = spezifisch, messbar, akzeptabel/attraktiv, realistisch, terminiert.

Abbildung 1: Erfassungsstreifen.
Abbildung 2: Ausgewertete Erfassungsstreifen.

Am Schluss wird mit den Kindern ein grosser Schneemann aus flauschigem Material gebastelt. Die in den fünf Schulwochen eingesammelten Schneeflocken werden auf den Schneemann geklebt. Der gemeinsame Erfolg der Klasse wird sichtbar und gewürdigt.

Verlauf und Ergebnisse

Am ersten Datenerfassungstag wird deutlich, dass die Konzentrationsfähigkeit im Verlauf der zwanzig Minuten enorm sinkt. Die Schneeflockenreihe verkürzt sich von 18 auf 10. Einige Kinder meinen dazu, dass sie sich gestört fühlen, wenn viele Kinder im Raum hin- und herlaufen. Gemeinsam wird nach Lösungen gesucht. Um unnötiges Suchen für gemeinsam benötigtes Material zu vermeiden (z.B. Datenstempel und Locher) werden deren Standorte klar festgelegt.

Da hilfesuchende Kinder durch Rufen des Namens der Kindergartenlehrperson Unruhe auslösen, wird beim zweiten Erhebungstag vermehrt mit Aufzeigen gearbeitet. Dies hindert die Kinder jedoch im Arbeitsprozess. Deshalb wird beim dritten Mal eine beidseitig bemalte Wäscheklammer eingesetzt: grüne Seite signalisiert = «ich kann selbständig arbeiten»; rote Seite = «ich brauche Hilfe». Die Interventionen fördern die Konzentration der Kinder, wie die Statistik ab Raster zwei zeigt, weshalb die Kinder an den letzten vier Donnerstagen das s.m.a.r.t.-Ziel erreichen (Abbildung 2).

Reflexion

Die gemeinsame Weiterentwicklung der Klasse wird gefördert, indem alle Kinder in die Datenerhebung eingebunden sind. Auch wenn es wenige Schneeflocken abgibt, trägt jedes Kind seinen Teil zum gemeinsamen Erfolg bei und kann sich darüber freuen. Viele Kinder identifizieren sich stark mit dem Erhebungsinstrument. Insbesondere die Jüngsten beziehen das Erfassungsresultat stärker auf die eigene Leistung als auf den Erfolg der Klasse. Sie erwähnen z.B., dass sie sich freuen, dass ihre abgegebene Schneeflocke nun ganz vorne im goldenen Bereich aufgeklebt ist. Die Kindergartenlehrperson will darauf achten, gerade die vierjährigen Kinder schrittweise vom «Ich-» ans «Wir-Denken» heranzuführen. Die Lehrperson kann das Setting des Werkstattunterrichts dank der Rückmelderunden mit den Kindern fortlaufend optimieren: u.a. Materialplatz einrichten; den Kindern vor dem Start Zeit geben, sich die gestellte Aufgabe klar zu machen; Klämmerlisystem. Auch das zusätzliche Zeitgefäss für den Dialog von Kind zu Kind, bzw. von Kind zur Lehrperson, fördert das ruhige Arbeiten.

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