Effektives Lernfeedback durch passende RückmeldungenNoch keine Bewertungen vorhanden.

Ein Fallbeispiel verfasst von Janine Strasser nach einem Interview mit Urs Wüthrich, Lehrperson Oberstufe Goldach (Kanton St. Gallen, Schweiz)

Lernfeedback ist einer der Weiterbildungsbausteine im Netzwerk der «Lehren und Lernen sichtbar machen-Schulen». Er ergänzt und erweitert das Können der Lehrpersonen, konkretes didaktisches Feedback an ihre Schülerinnen und Schüler zu geben, angepasst an deren jeweilige Kompetenzstufe.

Das Feedback richtet sich auf die bearbeitete Aufgabe, auf den Weg der Aufgabenbearbeitung oder die Art und Weise, wie sich die Lernenden dabei unterstützt haben (Selbstregulation).

Je nach Kompetenzstand der Lernenden agieren die Lehrpersonen anleitend, beschränken sich auf kurze Signale oder sie gehen in einen beratenden Handlungsmodus.[1]

Beim Lernfeedback geht es zentral darum, das Lernen der Schülerinnen und Schülern einzuschätzen und ihnen eine Rückmeldung dazu und zu den nächsten Lernschritten zu geben. Im Weiterbildungsbaustein «Lernfeedback» steht der zweite Aspekt, das Rückmelden, im Vordergrund.

Ausgangslage

Wie in jedem LLSM-Weiterbildungsbaustein ist die Umsetzung des Verfahrens im Unterricht integraler Bestandteil. Diese fand in einer 7. Klasse im Fach Mathematik (Grundniveau) der Oberstufe Goldach statt. Die Klasse besteht aus 10 Schülerinnen und Schülern. Davon hat ein Lernender individuelle Lernziele. Der Unterrichtsausschnitt, zu dem hier berichtet wird, findet im Teamteaching statt. Thema des Unterrichts waren Dreisatzrechnungen. Es wurden Beispiele der direkten und indirekten Proportionalität behandelt.

Ziel

Ziel der beiden Lehrpersonen war es, die Lernschritte bei jedem Lernenden sowohl für Lernende als auch für Lehrpersonen sichtbar zu machen.

Zudem sollen die Lernenden üben, sich in Bezug auf ihr Lernen selber einzuschätzen. Dadurch erhalten die Lehrpersonen einen Einblick in die Perspektive der Lernenden.

Unterrichtsintervention und Untersuchung

Die Lernenden haben in diesem Unterrichtssetting selbständig an Posten gearbeitet. Nach jedem Posten haben sie sich darin eingeschätzt, wie sie die Aufgabe bewältigen konnten. Direkt danach hat eine Lehrperson die Aufgabe gegengecheckt, und es fand ein kurzes Gespräch über die aktuell gelöste Aufgabe und die Selbsteinschätzung statt.

Vor der Prüfung – das Datum der Prüfung konnte durch die Schülerinnen und Schüler selbständig, wenn alle Posten bearbeitet waren, gewählt werden – hat eine der Lehrpersonen zehnminütige Einzelgespräche mit allen Schülerinnen und Schülern durchgeführt. Das Lernfeedback in den Einzelgesprächen hatte signalisierende, anleitende sowie beratende Elemente. Die Gespräche wurden aufgenommen. Dadurch konnten die Lehrpersonen ihr Lernfeedbackgeben reflektieren und gemeinsam mit der Teamteaching-Lehrperson besprechen. Im Folgenden sind Passagen aus dem Gespräch transkribiert worden, um einen Einblick in eine Gesprächssituation zu geben. Je nach Handlungsform der Rückmeldung (signalisierend, anleitend, beratend) sind sie unterschiedlich eingefärbt.[2]

LP: «Du hast einen Postenlauf gemacht, zu welchem Thema?»

S: «Dreisatz, Zweisatz»

LP: «Gut,gibt es noch einen Fachbegriff für Dreisatz, Zweisatz?»

S: «Der Grundsatz: Je mehr desto weniger. Je weniger desto mehr.»

LP: «Gut,je weniger desto mehr gilt wofür?»

S: «Indirekte Proportionalität»

LP: «Genau. Das war der Begriff, den ich gesucht habe. Und der andere wäre dann, wenn nicht indirekt?»

S: «Direkte Proportionalität»

LP: «Genau, das ist korrekt.»

[…]

LP: «Worauf musst du achten, wenn du dieses Thema [Dreisatzrechnungen] erfolgreich bewältigen möchtest?»

S: «Also, wie meinen Sie das?»

LP: «Wenn du die Aufgaben alle gut lösen willst.»

S: «Taschenrechner»

LP: «Du brauchst einen Taschenrechner, gut. Welche Fähigkeiten benötigst du ausserdem?»

S: «Konzentration»

LP: «Ja. Warum muss man sich konzentrieren?»

S: «Weil man sich beim Taschenrechner schnell vertippen kann, wenn man zwischen dem Aufgabenblatt und dem Taschenrechner hin- und herschaut.»

LP: «Genau, und du musst genau lesen. Und du liest einen Text und verstehst ihn nicht, was machst du dann?»

S: «Nachfragen.»            

LP: «Wenn du an einer Prüfung bist, kannst du nicht nachfragen. Was machst du dann?»

S: «Also früher nachfragen. Bevor die Prüfung stattfindet.»

LP: «Trotzdem kann die Situation kommen, dass du im Vorfeld nicht alles nachgefragt hast und du an der Prüfung eine Aufgabe nicht lösen kannst. Was musst du dann machen? Welche Möglichkeiten hast du, wenn du während der Prüfung nicht nachfragen kannst?»

S: «Die anderen Aufgaben lösen, also die einfacheren zuerst und am Schluss zu den schwierigeren Aufgaben wechseln.»

LP: «Wenn du das genauso machst, dann ist das perfekt. Zuerst einmal das lösen, was du kannst. Was machst du am Schluss mit dieser Aufgabe, wenn du sie nicht lösen kannst?»

S: «Ich setze ein Fragezeichen hin, wenn ich sie nicht verstehe»

LP: «Gut. Ich als Lehrperson merke, dass du dann die Aufgabe nicht verstanden hast. Aber für dich persönlich gäbe es schon die Strategie, dass du dir sagst ‘jetzt lese ich den Text noch ein zweites, noch ein drittes Mal’ – erste Strategie. Zweite Strategie: Du versuchst, dich an ähnliche Aufgaben zu erinnern, die du bereits gelöst hast. So wie wir das vorhin gemeinsam durchgespielt haben.»

Berichterstattung und Reflexion

Bei der mehrstufigen Unterrichtsintervention der beiden Lehrpersonen wird Lernfeedback in zwei Phasen gegeben. In einer kurzen und zeitnahen Form nach dem Lösen der Aufgaben und der Selbsteinschätzung durch die Lernenden (eher signalisierend) und in einer längeren Form (10 Minuten) vor der Prüfung am Ende der Übungsphase (eher anleitend oder beratend).

Das Setting erfordert viel Zeit in der Vorbereitung, der Durchführung sowie der Nachbereitung und sei gemäss der interviewten Lehrperson im Teamteaching in der Durchführung einfacher. Dadurch könnten die Lernenden mit der einen Lehrperson weiterarbeiten während jeweils ein Lernender im Einzelgespräch sei.

Die Lehrpersonen müssten den Schülerinnen und Schülern viel Freiraum gewähren und selber den Mut aufbringen, die Lernenden «auch mal auflaufen zu lassen». Nur so gelinge es den Schülerinnen und Schülern, selbständig zu arbeiten und ihren Lernstand authentisch einzuschätzen.

In den abschliessenden Gesprächen haben die Lehrpersonen der oder dem jeweiligen Lernenden offene Fragen zur Klärung von individuellen Stolpersteinen gestellt. Dabei haben sie beim Nachhören der Audioaufnahmen bemerkt, dass sie teilweise vorschnell antworten und zu stark anleiten. In den Einzelgesprächen sei es daher wichtig, dass sich die Lehrpersonen auf «echte Gespräche» einlassen können, also Geduld haben und auf Antworten der Lernenden warten können. Die Lehrpersonen müssen den Schülerinnen und Schülern vertrauen und auch ihnen die Gesprächsführung überlassen.

Lohnenswert sei das Vorgehen auf verschiedenen Ebenen. Einerseits erhalten die Lehrpersonen einen vertieften Einblick in den Lernstand und die Selbsteinschätzung der einzelnen Lernenden und können im Anschluss gezielt darauf eingehen. Die gesammelten Daten aus den gelösten und korrigierten Prüfungen und den Selbsteinschätzungen bezüglich der einzelnen Posten wird als gute Basis für das längere und abschliessende Gespräch angesehen. Anderseits wäre es ihnen als Lehrpersonen möglich, ihr eigenes Lernfeedbackgeben durch die Audioaufnahme zu reflektieren und mit dem Teamteaching-Partner zu besprechen.

Von den Schülerinnen und Schülern wurde das freie und individuelle Arbeiten in ihrem eigenen Tempo als Vorteil betrachtet, da sie sich besser konzentrieren könnten. Die Selbsteinschätzung sei für die Lernenden (noch) eher schwierig, da sie sich darin unsicher fühlten.

Im abschliessenden Gespräch hatten die Schülerinnen und Schüler gemäss einer Lehrperson öfters Mühe, ihr Vorgehen adäquat zu erklären und auszuformulieren.

In einer nächsten Durchführung würde die interviewte Lehrperson die Gespräche zeitlich anders ansetzen. Das längere Gespräch sollte früher stattfinden und nicht erst vor der Prüfung. Darüber hinaus wäre ein drittes Gespräch nach der Prüfung sinnvoll, um gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern den ganzen Lernprozess zu reflektieren.


[1] Hischier, David (2016): “Feedback – Faktor unter der Lupe“. In: Schulpraxis (Eine Beilage der «Berner Schule»). “Themenheft Lernen sichtbar machen”, Jg. 106, Nr. 3/16, S. 20-21.

[2] Die Textsequenzen sind nicht immer eindeutig den drei Handlungsformen des Lernfeedbacks zuzuordnen. Es dominiert die beratende Handlungsform, was einen fachlich fortgeschrittenen Lernenden voraussetzt. Die Feedbackebene «Aufgabe/Lösung» wird lediglich als Aufhänger angesprochen (Begriffswissen). Es geht der Lehrperson wesentlich um die Ebenen «Lernprozess» («Worauf musst du achten, wenn du dieses Thema … erfolgreich bewältigen möchtest?») und auch die «Selbstregulation» («Welche Fähigkeiten benötigst du …»).

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